Der 'Hunnenring' bei Otzenhausen
Die irreführend als "Hunnenring" bezeichnete Ringwallanlage
auf dem Dollberg (620 m) bei Otzenhausen wurde von den
Kelten
der Latène-Zeit (475-20 v. Chr.) errichtet. Das Wallsystem
hatte die unglaubliche Länge von 1360 m für den Hauptwall und
noch zusätzliche 850 m für den Vorwall. Mehr als 200'000
Kubikmeter Bruchsteine sind hier zu einer Anlage verarbeitet
worden, die mit einer Ausdehnung von 647 m auf 460 m ein
Areal von fast 19 ha einschloss. Die Dimensionen sind wahrhaft
beeindruckend: im Norden ist der Hauptwall auch heute noch
10 Meter hoch bei einer Fußbreite von 40 Metern. Man muss sich
vorstellen, dass die Bruchsteine einst durch ein Balkengerüst
zusammengehalten wurden und senkrechte Mauern bildeten,
um so eine städtische Siedlung (römisch "Oppidum") der
Treverer vor Eindringlingen zu schützen.
Man schätzt, dass der Nordwall eine Höhe von 25 m
hatte. Der Eingang führte durch das 6 m breite Westtor, das durch einen
Mittelpfosten in zwei gleichgroße Durchgänge unterteilt und offensichtlich
durch eine wehrhafte Holzkonstruktion überdacht war. Zusätzliche seitliche
Schutzmauern dienten ebenfalls der Verteidigung.
Die Ringwallanlage in ihren heutigen gewaltigen Dimensionen wurde im 1.
Jahrhundert vor Chr. erbaut, d.h. in der späten Latène-Zeit. Mit großer
Wahrscheinlichkeit gab es aber an gleicher Stelle bereits eine Vorläuferburg aus der
frühen Latène-Zeit (5. Jahrhundert vor Chr.). Diesen Schluss legen die reich
ausgestatteten Fürstengräber aus eben dieser Epoche nahe, die im Jahre 1848 in
Schwarzenbach, einem Dorf am Fuße des Dollbergs, entdeckt wurden. Tatsächlich
liegen die Fürstengräber der frühen Latène-Zeit immer in Sichtweite "ihrer" Burg.
Die Konstruktion der weitläufigen Anlage mit dem bautechnisch einfacher ausgeführten
Vorwall lässt eine kontinuierlich gewachsene, befestigte Siedlung annehmen, wohin
die Bevölkerung der Umgebung in Krisenzeiten ihr Vieh in Sicherheit bringen konnte.
Die heute noch im inneren Bereich existierende Wasserquelle stellte sicher, dass
auch längere Belagerungen unbeschadet überstanden werden konnten. Eine
entsprechende Vorratshaltung ist nachgewiesen.
Man nimmt an, dass die Anlage auf dem Dollberg die Stammburg einer alten
keltischen Dynastie war und vermutlich das Machtzentrum der in dieser Region
ansässigen Treverer bildete. Wir glauben aus Julius Cäsar's Berichten über seinen
"Gallischen Krieg" sogar zu wissen, dass es der keltische Fürst Indutiomarus
gewesen ist, der den Ausbau der Befestigungsanlagen auf dem Dollberg um das
Jahr 80 vor Chr. begonnen hat (De Bello Gallico: Buch V, 3-4). Ursprünglich
wohl zum Schutz gegen eindringende Germanenstämme (Kimbern, Teutonen, Sueben und
Alemannen) geplant, geriet die Festung dann zu einem eigentlichen Zentrum des
Widerstandes gegen die
Römer.
Dies in einer Koalition mit zwei anderen Stämmen der Treverer (aufgrund
der Dreierkoalition entstand vermutlich auch der lateinische Name "Treverer",
tre=drei). Die Kämpfe gegen Cäsar endeten mit dem Tode des Indutiomarus im
Jahre 54 vor Chr. und der Niederlage der Kelten (De Bello Gallico: Buch V, 56-58).
Im gleichen Jahr verließ die Familie des Indutiomarus die Burg auf dem Dollberg.
Danach blieb die Anlage unbewohnt und verfiel nach und nach. Einzig ein kleiner
Tempel aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. lässt vermuten, dass der Dollberg auch in
römischer Zeit als Heiligtum genutzt wurde, jedoch ohne größere Bedeutung blieb.