Birkenfeld
In einer weiten Talmulde zwischen Hochwald und Nahetal gelegen können die
Kreisstadt Birkenfeld und das umliegende "Birkenfelder Land", das Land an
der oberen Nahe, auf eine große und wechselvolle Geschichte zurückblicken.
Der heutige Siedlungskern der im Jahre 981 erstmals urkundlich erwähnten
Stadt ("Birkenvelt") liegt auf einem sich von Nordosten nach Südwesten
erstreckenden Sandsteinrücken, der durch eine Senke vom südöstlich gelegenen
Burgberg getrennt ist. Die mittelalterliche Burg Birkenfeld —im Jahre 1293 erstmals
urkundlich erwähnt, aber vermutlich wesentlich älter— wurde gegen Ende des 16.
Jahrhunderts zum Renaissance-Schloss um- und ausgebaut. Vom Turm an der nördlichen
Ringmauer bietet sich ein schöner Ausblick über die Stadt. Aus oldenburgischer
Zeit, als das Birkenfelder Land im Jahre 1817 zum Großherzogtum Oldenburg gekommen
war, stammt das klassizistische "Neue Schloss". Es liegt weit ab vom
ursprünglichen Burgberg auf einem Hügel inmitten der Stadt und ist heute Sitz der
Kreisverwaltung. Nicht weit vom Neuen Schloss liegt das
Birkenfelder Museum,
das im Stile eines römischen Landhauses erbaut ist. Es besitzt eine überaus
sehenswerte vor- und frühgeschichtliche Sammlung sowie eine gut ausgebaute
heimat- und volkskundlichen Abteilung.
Die Region war zur Zeit der älteren Hunsrück-Eifel-Kultur (600-450 v. Chr.)
keltisches
Kernland, wie dies die charakteristischen Grabinventare von Wickenrodt
bei Bundenbach mit ihrem reichen Frauenschmuck aus Bronze belegen. Die jüngere
Hunsrück-Eifel-Kultur (450-250 v. Chr.) wird durch die berühmten Fürstengräber von
Hoppstädten, Siesbach und Schwarzenbach dokumentiert mit ihren
Beigaben an etruskischem Bronzegeschirr und einheimischen Goldarbeiten. Zu
jener Zeit entstanden auch die ersten befestigten, durch Ringwallanlagen gesicherten
Fluchtburgen und Höhensiedlungen, so der
Ringskopf
bei Allenbach, die
Wildenburg
bei Kempfeld, die Ringmauer bei Fischbach und der
Bremerberg
bei Kirnsulzbach. Ein führende Rolle spielte ab 250 v. Chr. der keltische Stamm der
Treverer, zu dessen südlichem Siedlungsgebiet das Birkenfelder Land gehörte. Über
diesen Stamm und ihren Führer Indutiomarus wird in Caesars Buch De bello
gallico, einem Standardwerk jedes Lateinunterrichtes, ausführlich berichtet.
Neben kleineren Burganlagen, wie der
"Altburg" bei
Bundenbach,
errichteten die Treverer erstmals auch befestigte stadtartige Siedlungen, so die
wahrhaft gigantisch anmutende Ringwallanlage auf dem Dollberg bei
Otzenhausen.
Die Ausbeutung der reichen Metallerz-Vorkommen der Region, insbesondere des
Eisenerzes, führte zu engen wirtschaftlichen Beziehungen mit den süd- und
südosteuropäischen Hochkulturen im Mittelmeerraum, insbesondere den Etruskern.
Nach der Eroberung Galliens durch die
Römer
(58-51 v. Chr.) gehörte das Birkenfelder Land westlich des Siesbaches zur
Provinz Gallia Belgica, während der Ostteil der Provinz Germania
Superior zugeschlagen wurde. Ein eindrückliches Denkmal aus der gallo-römischen
Epoche ist der Grabhügel bei Siesbach in der Nähe von
Idar-Oberstein.
Dieser hat kreisförmigen Aufbau mit 21 m Durchmesser, ist von einer doppelten
Umfassungsmauer umgeben und wird von einer hohen Säule überragt, auf deren Spitze
die Skulptur eines 1.2 m großen steinernen Adlers angebracht ist. Nach verheerenden
Verwüstungen durch Germaneneinfälle in den Jahren 275/276 n. Chr. und dem
Zusammenbruch der römischen Herrschaft ab dem Jahre 400 n. Chr. blieb das
Birkenfelder Land über mehrere Jahrhunderte weitgehend unbesiedelt. Erst mit
Einsetzen der sogenannten "Rodungszeit" im 9. Jahrhundert wurde es wieder
in größerem Umfang von Siedlern in Besitz genommen. Seit dem 13. Jahrhundert war
Birkenfeld Vorort der Hinteren Grafschaft
Sponheim
und von 1584-1734 Sitz der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken, nachdem Herzog Karl, der
vorher das Amt des Rektors der Heidelberger Universität bekleidete, der erste
Pfalzgraf von Birkenfeld geworden war. Herzog Karl baute nach seiner Wahl
die alte Birkenfelder Burg umgehend zu einem zeitgemäßen Renaissance-Schloss aus.
Der Status der pfalzgräflich-hintersponheimischen Residenzstadt blieb Birkenfeld
bis zum Jahre 1734 erhalten. Danach wurde es 1776 badensisch und stand von 1795-1814
unter französischer Verwaltung. Durch eine kuriose Entscheidung des Wiener Kongresses
des Jahres 1817 kam das Gebiet an das Großherzogtum Oldenburg und wurde zum
"Fürstentum Birkenfeld". Dieses Fürstentum hatte bis ins Jahr 1937 Bestand!
Erwähnenswert auch, dass der Zweibrücker Herzog Friedrich zum Stammvater des
bayrischen Königshauses avancierte, erbte doch sein Sohn Maximilian ganz
Kurpfalz-Bayern und bestieg im Jahre 1806 den bayrischen Königsthron. Es bleibt
nachzutragen, dass keine andere Region Deutschlands über die Jahrhunderte hinweg
derart in Klein- und Kleinststaaten zerstückelt war, wie gerade das Birkenfelder Land.
Hier an der oberen Nahe hatten Erzbischöfe, Kurfürsten, Herzöge, Grafen und Landadlige
ihre weitgehend unabhängig gehaltenen Ländereien. Oft gehörte ein einziges Dorf zu
zwei oder drei verschiedenen "Ländern", und in einer Stunde konnte man mitunter ein
halbes Dutzend Territorien durchwandern —mit den entsprechenden Zollstellen, versteht
sich.
Besucht man Birkenfeld, sollte man unbedingt einen Abstecher zur Frauenburg
einplanen, die auf einem schmalen Bergsporn unweit der Nahe äußerst malerisch gelegen
ist. Diese Burg wurde im Jahre 1331 von der jungen Witwe Loretta Gräfin von Sponheim
nach ihrem Streit mit dem Trierer Kurfürsten als Sitz ihres neuen Amtes
Frauenberg gewählt. Die Frauenburg ist eine der am besten erhaltenen Burgen
im Landkreis und verdient als Zeugnis mittelalterlicher Machtpolitik besondere
Aufmerksamkeit.